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28.08.25

Frau Herzog

Schulden aus Bürgschaften – Wenn Hilfe teuer wird

Mann und Frau schauen besorgt auf einen Vertrag, auf dem Tisch liegen Bankunterlagen und ein Taschenrechner.

„Könntest du mir nur kurz helfen und für meinen Kredit bürgen?“ – diese Frage kommt oft von nahestehenden Menschen, denen man eigentlich nichts abschlagen möchte. Aus Freundschaft, Familienloyalität oder Partnerschaft wird häufig schnell „Ja“ gesagt. Was in diesem Moment wie eine reine Formalität wirkt, kann jedoch zu einer massiven finanziellen Belastung werden – und in manchen Fällen die eigene Existenz gefährden.

Bürgschaften verpflichten den Unterzeichner, für die Schulden einer anderen Person einzustehen, falls diese nicht mehr zahlen kann. Für viele Bürgen ist das Risiko nicht greifbar – bis der Ernstfall eintritt. Dann stehen sie selbst in der Verantwortung, teilweise für Summen, die ihre eigene finanzielle Leistungsfähigkeit deutlich übersteigen. Dieser Artikel zeigt, wie Bürgschaften funktionieren, warum sie so riskant sind, und welche Strategien es gibt, um nicht selbst in die Schuldenfalle zu geraten.

Was ist eine Bürgschaft?

Eine Bürgschaft ist ein rechtlich verbindlicher Vertrag, in dem sich eine Person (der Bürge) verpflichtet, die Verbindlichkeiten eines anderen (des Hauptschuldners) zu übernehmen, wenn dieser nicht zahlt.

  • Form und Inhalt: Eine Bürgschaft muss schriftlich abgeschlossen werden, oft direkt im Rahmen eines Kredit- oder Mietvertrags. Handschriftlich muss zumindest die Verpflichtungserklärung festgehalten sein, um vor Gericht Bestand zu haben.
  • Beteiligte Parteien: Es gibt immer drei Beteiligte – den Gläubiger (z. B. eine Bank), den Hauptschuldner (z. B. der Kreditnehmer) und den Bürgen. Der Bürge haftet im Ernstfall wie der Hauptschuldner selbst.
  • Verpflichtung: Der Bürge übernimmt in der Regel die volle Haftung für die Schuld, nicht nur für einen Teilbetrag. Das bedeutet: Selbst wenn die Schuld im Laufe der Zeit anwächst, ist der Bürge grundsätzlich für die gesamte Summe verantwortlich.
  • Unwiderruflichkeit: Viele Bürgschaften können nicht einseitig gekündigt werden. Sie enden meist erst, wenn die Schuld getilgt ist oder der Gläubiger schriftlich auf die Bürgschaft verzichtet.

Arten von Bürgschaften

Die Art der Bürgschaft bestimmt, wie schnell und in welchem Umfang der Bürge in Anspruch genommen werden kann.

  • Selbstschuldnerische Bürgschaft: Hier darf der Gläubiger sofort den Bürgen in Anspruch nehmen, sobald der Hauptschuldner in Zahlungsverzug gerät. Er muss nicht erst versuchen, das Geld beim Hauptschuldner einzutreiben. Diese Form ist für den Bürgen besonders riskant, weil sie keine zeitliche Verzögerung bietet.
  • Ausfallbürgschaft: Bei dieser Variante wird der Bürge erst dann in Anspruch genommen, wenn der Gläubiger nachweislich erfolglos versucht hat, die Forderung beim Hauptschuldner einzutreiben. Sie ist etwas sicherer, wird aber von Banken seltener akzeptiert.
  • Höchstbetragsbürgschaft: Die Haftung ist auf einen festgelegten Betrag begrenzt. Das schützt vor unüberschaubaren Summen, bedeutet aber trotzdem eine hohe potenzielle Belastung.
  • Mitbürgschaft: Mehrere Bürgen haften gemeinsam. Der Gläubiger kann frei entscheiden, von welchem Bürgen er das Geld verlangt. Das kann dazu führen, dass ein Bürge die komplette Summe zahlen muss, während die anderen zunächst nicht in Anspruch genommen werden.

Warum Bürgschaften oft zur Schuldenfalle werden

Viele unterschätzen, welche Konsequenzen eine Bürgschaft im Ernstfall hat.

  • Fehleinschätzung des Risikos: In der Regel gehen Bürgen davon aus, dass der Hauptschuldner verlässlich zahlen wird. Arbeitslosigkeit, Krankheit oder wirtschaftliche Schwierigkeiten werden oft nicht eingeplant – und können schnell eintreten.
  • Keine laufende Kontrolle: Nach der Unterschrift fragen viele Bürgen nicht mehr nach, ob der Hauptschuldner seine Raten pünktlich zahlt. So erfahren sie oft erst von Zahlungsproblemen, wenn die Forderung bereits bei ihnen liegt.
  • Unklare Vertragsbedingungen: Manche Bürgschaften enthalten Klauseln, die über den ursprünglichen Zweck hinausgehen, z. B. die Haftung für zukünftige Schulden oder die Verlängerung der Laufzeit ohne erneute Zustimmung.
  • Emotionale Entscheidung: Häufig wird eine Bürgschaft unter Zeitdruck oder aus emotionaler Verbundenheit unterschrieben. In solchen Momenten fällt es schwer, nüchtern zu kalkulieren oder rechtlichen Rat einzuholen.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Das deutsche Recht enthält einige Schutzmechanismen für Bürgen – diese greifen aber nicht in allen Fällen.

  • Formvorschrift: Nach § 766 BGB muss eine Bürgschaft schriftlich vorliegen. Eine mündliche Zusage ist rechtlich nicht bindend, auch wenn sie moralisch verbindlich wirken mag.
  • Sittenwidrigkeit: Eine Bürgschaft kann unwirksam sein, wenn sie den Bürgen krass finanziell überfordert. Gerichte prüfen das vor allem bei familiären Bürgschaften, z. B. wenn Eltern für sehr hohe Kredite ihrer Kinder bürgen.
  • Informationspflicht: Kreditinstitute müssen Bürgen über die Reichweite ihrer Verpflichtungen aufklären. Unterbleibt diese Aufklärung, kann das ein Ansatzpunkt für eine Anfechtung sein.
  • Verjährung: Forderungen aus Bürgschaften verjähren in der Regel nach drei Jahren, wenn der Gläubiger keine rechtlichen Schritte einleitet. Allerdings beginnt diese Frist oft erst mit der Fälligkeit der Schuld, nicht mit der Unterschrift.

Finanzielle Folgen im Ernstfall

Wenn der Hauptschuldner ausfällt, trägt der Bürge sofort die volle Verantwortung – oft mit gravierenden Konsequenzen.

  • Sofortige Zahlungsverpflichtung: Vor allem bei selbstschuldnerischen Bürgschaften hat der Bürge kaum Zeit, sich auf die Zahlung vorzubereiten. Der Gläubiger kann sofort die volle Summe fordern.
  • Schufa-Eintrag: Kann der Bürge nicht zahlen, erfolgt ein negativer Schufa-Eintrag. Das verschlechtert die eigene Kreditwürdigkeit und kann sogar zu Problemen bei Mietverträgen oder Mobilfunkverträgen führen.
  • Pfändung: Bleibt die Zahlung aus, kann es zu Kontopfändungen, Gehaltspfändungen oder der Zwangsversteigerung von Vermögenswerten kommen.
  • Langfristige Verschuldung: Hohe Bürgschaftsbeträge führen häufig zu einer jahrelangen Rückzahlung, die andere finanzielle Ziele blockiert – von Immobilienkauf bis Altersvorsorge.

Strategien zur Risikovermeidung

Wer eine Bürgschaft in Betracht zieht, sollte vorab alle Möglichkeiten zur Risikominimierung prüfen.

  • Nur für enge und vertrauenswürdige Personen bürgen – und nur, wenn man den Betrag im Notfall selbst zahlen könnte, ohne in existenzielle Schwierigkeiten zu geraten.
  • Haftung begrenzen: Eine Höchstbetragsbürgschaft oder eine zeitlich befristete Bürgschaft reduziert das Risiko und verhindert, dass der Bürge für unbegrenzt wachsende Schulden haftet.
  • Regelmäßige Kontrolle: Vereinbarungen mit dem Hauptschuldner, sich gegenseitig über den Zahlungsverlauf zu informieren, helfen, Probleme früh zu erkennen.
  • Rechtliche Beratung: Vor der Unterschrift sollte der Vertrag von einem Anwalt geprüft werden, um unklare oder nachteilige Klauseln zu identifizieren.
  • Alternativen suchen: Anstelle einer Bürgschaft können Kautionskonten, Bankbürgschaften oder Mitunterzeichnung als Vertragspartner in Frage kommen – oft mit weniger Risiko.

Erfahrungsbericht

Herr K., 48, unterschrieb eine selbstschuldnerische Bürgschaft für den Geschäftskredit seines Bruders – 60.000 €. Anfangs lief das Restaurant gut, doch nach zwei Jahren brachen die Umsätze ein. Erst erschwerte ein monatelanger Straßenumbau den Zugang, dann erkrankte sein Bruder schwer.

Eines Morgens erhielt Herr K. ein Schreiben der Bank: Sein Bruder hatte drei Kreditraten nicht gezahlt. Die Bürgschaft wurde fällig. Innerhalb von zwei Wochen sollte er 58.000 € zuzüglich Zinsen und Mahngebühren zahlen. Er hatte diese Summe nicht – und auch keinen schnellen Zugang zu Kreditlinien.

Die Bank leitete Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ein. Sein Konto wurde gesperrt, eine geplante Immobilienfinanzierung platzte. Erst durch einen spezialisierten Anwalt konnte er eine Ratenzahlung über zehn Jahre aushandeln. Die monatliche Belastung von über 500 € schränkt ihn bis heute ein – Urlaube, größere Anschaffungen und sogar Investitionen in die Altersvorsorge sind vorerst gestrichen.

Auswege bei Bürgschaftsschulden

Wer bereits in die Bürgschaftspflicht genommen wird, sollte sofort handeln.

  • Verhandlung mit dem Gläubiger: Viele Gläubiger sind bereit, Ratenzahlungen oder Stundungen zu vereinbaren, um eine Insolvenz zu vermeiden.
  • Prüfung der Rechtmäßigkeit: Ein Anwalt kann klären, ob die Bürgschaft wegen Sittenwidrigkeit, Formfehlern oder fehlender Aufklärung anfechtbar ist.
  • Schuldnerberatung: Professionelle Hilfe unterstützt bei der finanziellen Neuordnung, der Budgetplanung und den Verhandlungen mit Gläubigern.
  • Privatinsolvenz: Wenn die Schuldenlast nicht mehr tragbar ist, kann ein Insolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung nach drei Jahren eine Möglichkeit sein, wieder schuldenfrei zu werden.

FAQ – Häufige Fragen

Kann ich eine Bürgschaft widerrufen?

Nur mit Zustimmung des Gläubigers oder wenn der Vertrag eine entsprechende Kündigungsmöglichkeit vorsieht.

Bin ich sofort zahlungspflichtig?

Bei selbstschuldnerischen Bürgschaften ja, bei Ausfallbürgschaften erst nach erfolgloser Vollstreckung beim Hauptschuldner.

Gilt die Bürgschaft auch für neue Schulden?

Nur, wenn dies ausdrücklich im Vertrag steht – sonst beschränkt sich die Haftung auf die ursprüngliche Schuld.

Wie lange haftet ein Bürge?

Grundsätzlich bis die gesicherte Forderung vollständig getilgt ist. Manche Verträge enthalten aber automatische Verlängerungen.

Fazit

Bürgschaften sind ein zweischneidiges Schwert: Sie können helfen, einem nahestehenden Menschen eine wichtige Finanzierung zu ermöglichen – sie können aber auch die eigene finanzielle Zukunft massiv gefährden. Wer unterschreibt, muss wissen, dass er im Ernstfall wie der Hauptschuldner selbst haftet.

Eine gründliche Prüfung der Vertragsbedingungen, das Festlegen klarer Grenzen und die Bereitschaft, im Zweifel „Nein“ zu sagen, sind die wichtigsten Schutzmechanismen. Denn bei aller Hilfsbereitschaft gilt: Die eigene finanzielle Existenz sollte niemals aufs Spiel gesetzt werden.

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