04.12.25
Herr Riebe

Wenn Schulden wachsen und Zahlungen ausbleiben, ist es oft nur eine Frage der Zeit, bis Gläubiger versuchen, auf das Einkommen des Schuldners zuzugreifen. Für Betroffene ist das ein belastender Moment – nicht nur finanziell, sondern auch emotional. Viele Menschen werden erstmals damit konfrontiert, wie stark eine offene Forderung in den Alltag eingreifen kann. Gleichzeitig tauchen Begriffe auf, die ähnlich klingen, aber etwas völlig anderes bedeuten: Lohnabtretung und Lohnpfändung.
Obwohl beide Maßnahmen den pfändbaren Teil des Einkommens betreffen, könnten ihre Entstehung, Wirkung und rechtlichen Voraussetzungen kaum unterschiedlicher sein. Die Lohnabtretung beruht auf einer freiwilligen Vereinbarung und bleibt oft jahrelang unbemerkt, während die Lohnpfändung ein sichtbarer staatlicher Eingriff ist, der sofort wirkt. Wer mit Schulden zu kämpfen hat, sollte diese Unterschiede kennen – nicht zuletzt, um einschätzen zu können, was auf einen zukommt und welche Handlungsmöglichkeiten bestehen.
Die Lohnabtretung entsteht in der Regel zu einem Zeitpunkt, an dem es finanziell noch gut aussieht: beim Abschluss eines Kredits, eines Ratenkaufs oder einer Finanzierung. Viele Vertragswerke enthalten eine Abtretungsklausel, die man schnell überliest. Für den Gläubiger bedeutet sie Sicherheit, für den Schuldner jedoch etwas, das Jahre später plötzlich Wirkung entfalten kann.
Solange alle Raten pünktlich bezahlt werden, bleibt die Abtretung inaktiv. Der Arbeitgeber erfährt nichts davon, und für den Schuldner ändert sich nichts. Erst wenn es zu einem Zahlungsausfall kommt, kann der Gläubiger die Abtretung dem Arbeitgeber vorlegen. Für viele Betroffene ist genau dieser Moment überraschend, weil sie die Klausel längst vergessen hatten oder ihr Gewicht beim Unterschreiben nicht einschätzen konnten.
Allerdings ist eine Lohnabtretung nicht in jedem Fall umsetzbar. Manche Arbeitgeber schließen in Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen die Erfüllung solcher Abtretungen grundsätzlich aus, um sich vor zusätzlichen Verwaltungsaufwänden und Konflikten zu schützen. In solchen Fällen bleibt die Abtretung zwar rechtlich gültig, darf aber vom Arbeitgeber nicht berücksichtigt werden. Für Schuldner kann das ein wichtiger Schutz sein – vorausgesetzt, sie wissen davon.
Trotz ihrer vertraglichen Herkunft ist auch die Lohnabtretung an klare Grenzen gebunden. Sie darf nur den Teil des Einkommens erfassen, der auch gesetzlich pfändbar wäre. Das Existenzminimum bleibt also geschützt. Für Schuldner bedeutet das: Eine Lohnabtretung kann zwar belasten, aber sie nimmt nie mehr weg, als eine Pfändung ohnehin dürfte.
Damit hängt der praktische Effekt einer Abtretung oft davon ab, ob sie tatsächlich umgesetzt werden kann. Entscheidend sind drei Punkte:
In vielen Beratungen zeigt sich: Diese drei Fragen sind vielen Schuldnern zunächst gar nicht bekannt.
Die Lohnpfändung ist das Gegenteil einer stillen Vereinbarung. Sie ist sichtbarer, verbindlicher und für den Arbeitgeber verpflichtend. Um eine Lohnpfändung auszulösen, muss ein Gläubiger einen vollstreckbaren Titel besitzen – ein Urteil, ein Vollstreckungsbescheid oder eine entsprechende notarielle Urkunde. Erst dann kann er beim Gericht einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragen.
Sobald dieser Beschluss beim Arbeitgeber eingeht, beginnt die Pfändung unmittelbar zu wirken. Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, den pfändbaren Teil des Nettoverdienstes zu berechnen und direkt an den Gläubiger abzuführen. Der Schuldner hat an diesem Punkt keinen Einfluss mehr darauf, ob die Maßnahme umgesetzt wird.
Gerade deshalb empfinden viele Menschen die Pfändung als einschneidender als die Abtretung. Sie ist nicht nur spürbar, sondern auch sichtbar – der Arbeitgeber weiß nun, dass finanzielle Schwierigkeiten bestehen. Und sie zieht sich oft über einen langen Zeitraum, je nach Höhe der Forderung und Einkommen des Schuldners.
Trotz ihrer Härte ist die Pfändung aber nicht schrankenlos. Die gesetzliche Pfändungstabelle schützt das Existenzminimum. Das bedeutet:
In der Praxis passieren bei dieser Berechnung allerdings Fehler. Es lohnt sich deshalb immer, den eigenen unpfändbaren Betrag zu überprüfen – insbesondere, wenn sich familiäre oder finanzielle Verhältnisse geändert haben.
In vielen Fällen existieren sowohl eine Lohnabtretung als auch eine Pfändung. Das klingt kompliziert – und ist es oft auch. Entscheidend ist immer die Frage, welche Maßnahme zuerst wirksam wurde.
Eine ältere Abtretung, die bereits offengelegt wurde, hat Vorrang vor einer später zugestellten Pfändung. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall zunächst den Gläubiger bedienen, der die Abtretung besitzt. Erst wenn danach noch pfändbarer Betrag übrig bleibt, darf eine Pfändung berücksichtigt werden.
Kommt die Abtretung jedoch erst nach Eingang der Pfändung beim Arbeitgeber an, hat die Pfändung Vorrang. Die Abtretung tritt dann – zumindest für die Dauer der Pfändung – in den Hintergrund.
Für Schuldner ist die Reihenfolge deshalb besonders wichtig. Es kann bedeuten:
Gerade in solchen Situationen ist eine genaue Prüfung sinnvoll, da Arbeitgeber nicht immer fehlerfrei arbeiten und die Rechtslage für Laien oft schwer zu überblicken ist.
Die Auswirkungen einer Lohnabtretung oder Pfändung sind für Schuldner sehr unterschiedlich. Eine Abtretung wird häufig erst dann bewusst wahrgenommen, wenn sie plötzlich aktiviert wird – manchmal Jahre nach Vertragsabschluss. Das erzeugt Unsicherheit, vor allem, wenn der Schuldner sich nicht mehr erinnern kann, überhaupt etwas unterschrieben zu haben.
Die Pfändung dagegen ist ein direkter Einschnitt in die finanzielle Situation. Sie ist transparent, aber belastend, weil sie sofort wirkt und der Arbeitgeber involviert wird. Viele Schuldner erleben damit nicht nur finanzielle Einschränkungen, sondern auch eine emotionale Belastung. Das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, ist nicht selten.
Sowohl Abtretung als auch Pfändung sind aber auch ein Hinweis darauf, dass die finanzielle Situation insgesamt betrachtet werden sollte. Wer regelmäßig mit Eingriffen ins Einkommen konfrontiert wird, profitiert meist davon, nicht nur die Einzelmaßnahme zu betrachten, sondern nach einer strukturierten Lösung zu suchen. Dazu gehören etwa:
Eine gute Beratung kann hier Orientierung geben und helfen, aus der reinen Abwehrhaltung herauszukommen und wieder handlungsfähig zu werden.
Nein. Eine Lohnabtretung wirkt erst, wenn der Gläubiger sie offenlegt und der Arbeitgeber informiert wird.
Wenn Abtretungen im Arbeitsvertrag oder durch Betriebsvereinbarungen ausgeschlossen sind, darf der Arbeitgeber sie nicht erfüllen.
Sobald der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beim Arbeitgeber eingeht. Eine Zustimmung des Schuldners ist nicht erforderlich.
Nein. Ob Abtretung oder Pfändung – es darf immer nur der gesetzlich pfändbare Teil abgeführt werden. Das Existenzminimum ist geschützt.
Grundsätzlich gilt die zeitlich frühere, wirksam vereinbarte Abtretung. Eine spätere Pfändung erhält nur Zugriff auf den verbleibenden pfändbaren Betrag.
Lohnabtretung und Lohnpfändung sind zwei Maßnahmen, die zwar beide das Einkommen betreffen, aber völlig unterschiedlich funktionieren. Die Abtretung ist ein altes Versprechen aus besseren Zeiten, das erst im Krisenfall Bedeutung gewinnt. Die Pfändung dagegen ist ein unmittelbarer staatlicher Eingriff, der keine Zustimmung des Schuldners benötigt.
Wer die Unterschiede kennt, kann finanzielle Einschnitte besser einschätzen und rechtzeitig gegensteuern. Und wer frühzeitig Hilfe sucht, merkt oft, dass mehr Handlungsspielraum besteht als zunächst angenommen.