07.07.25

Herr Riebe

Schulden und der Arbeitgeber

Frau auf dem Weg zur Arbeit steht nachdenklich vor Bürogebäude bei Sonnenaufgang - Schulden und der Arbeitgeber

Finanzielle Probleme, Schulden oder Überschuldung betreffen in Deutschland Millionen Menschen – und oft mehr, als man denkt. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Krankheit, Trennung, Jobverlust, unverhältnismäßige Ausgaben oder schlichtweg der Verlust der finanziellen Kontrolle. Betroffene fühlen sich häufig allein gelassen, empfinden Scham oder Angst und wissen nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen – vor allem im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis.

Dabei stellen sich viele zentrale Fragen: Darf mein Arbeitgeber überhaupt von meinen Schulden erfahren? Kann ich deshalb gekündigt werden? Muss ich aktiv etwas unternehmen? Diese Unsicherheiten führen oft zu einem Vermeidungsverhalten – mit potenziell gravierenden Folgen.
Wichtig zu wissen: Schulden allein stellen keinen Kündigungsgrund dar. Dennoch gibt es bestimmte Konstellationen, in denen finanzielle Schwierigkeiten arbeitsrechtlich relevant werden können. Der folgende Leitfaden erklärt, worauf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer achten sollten, wie der rechtliche Rahmen aussieht und welche Rechte und Pflichten bestehen. Dabei geht es nicht nur um rechtliche Fragen, sondern auch um praktische Hilfen, wie z. B. bei Lohnpfändungen, Gläubigerkontakt oder dem offenen Umgang mit dem Arbeitgeber.

Können Schulden zur Kündigung führen?

Grundsätzlich gilt: Schulden sind Privatsache

Im deutschen Arbeitsrecht gilt: Private finanzielle Probleme haben grundsätzlich keinen Einfluss auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Das heißt: Der Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer nicht allein deshalb kündigen, weil dieser Schulden hat, sich in einem Inkassoverfahren befindet oder sogar insolvent ist. Schulden betreffen zunächst ausschließlich den privaten Bereich.

Das bedeutet: Auch bei einer Privatinsolvenz oder einer eidesstattlichen Versicherung darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht ohne weiteres beenden. Dies wäre ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und die arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzregelungen.

Es existieren jedoch Ausnahmesituationen, in denen Schulden arbeitsrechtlich relevant sein können. Das ist vor allem dann der Fall, wenn sie:

  • das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beeinträchtigen,
  • zu einer Leistungsbeeinträchtigung führen oder
  • im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu rechtlichen oder organisatorischen Problemen führen.

Typische Beispiele:

  1. Vertrauenspositionen und sensible Tätigkeiten
    Arbeitnehmer, die mit Bargeld, Buchhaltung, Kreditverträgen, Gehaltsabrechnungen oder vertraulichen Kundendaten zu tun haben, befinden sich in sogenannten Vertrauenspositionen. Hier kann eine bestehende Überschuldung zu einem erhöhten Risiko für wirtschaftliche Straftaten (z. B. Unterschlagung, Betrug) führen – selbst wenn kein Fehlverhalten vorliegt. Allein der Verlust des Vertrauens kann unter Umständen eine Kündigung rechtfertigen, sofern dieser objektiv begründet werden kann.
  2. Mehrfache oder schwerwiegende Lohnpfändungen
    Wird ein Arbeitnehmer regelmäßig mit Lohnpfändungen oder Gehaltsabtretungen konfrontiert, kann das für den Arbeitgeber einen erheblichen Verwaltungsaufwand bedeuten – z. B. bei wiederholter Berechnung pfändbarer Beträge, Rückfragen von Gläubigern oder Unsicherheiten im Zahlungsfluss. Wenn dadurch Betriebsabläufe gestört werden, kann dies arbeitsrechtlich relevant werden.
  3. Schuldenbedingte Leistungsminderung
    In einigen Fällen führen Schulden zu psychosozialen Belastungen: Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, häufige Arztbesuche oder psychische Erkrankungen wie Depressionen. Wenn die Arbeitsleistung dadurch deutlich nachlässt oder es regelmäßig zu Ausfällen kommt, kann auch dies eine Rolle spielen.
  4. Rufschädigung durch öffentlich bekannt gewordene Schulden
    Wenn Schulden öffentlich bekannt werden (z. B. durch Presseberichte, soziale Medien oder Kundenbeschwerden) und dabei das Ansehen des Unternehmens geschädigt wird, kann dies ebenfalls arbeitsrechtliche Konsequenzen haben – insbesondere bei Repräsentanten, Führungskräften oder Vertriebsmitarbeitern mit Außenwirkung.

Wird der Arbeitgeber über Schulden informiert?

In den meisten Fällen: Nein. Schulden sind grundsätzlich privat.

Solange es sich um private Schulden handelt, erfährt der Arbeitgeber in der Regel nicht automatisch davon. Ob Mietrückstände, unbezahlte Handyverträge, Ratenzahlungen oder Kreditverpflichtungen – ohne konkrete Veranlassung gibt es keinen rechtlichen Grund, warum Dritte (auch nicht Gläubiger) den Arbeitgeber informieren dürften oder dieser in den Prozess einbezogen wird.

Ausnahme: Lohnpfändung oder Gehaltsabtretung
Sobald jedoch ein Gläubiger versucht, seine Forderung gerichtlich oder außergerichtlich durchzusetzen und das Einkommen der betroffenen Person pfänden will, wird der Arbeitgeber involviert.

  1. Pfändung des Arbeitseinkommens (gerichtlich):
    Der Gläubiger beantragt beim Amtsgericht einen sogenannten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Dieser verpflichtet den Arbeitgeber, den pfändbaren Teil des Lohns oder Gehalts direkt an den Gläubiger zu überweisen. Der Beschluss wird dem Arbeitgeber direkt zugestellt. Eine Zustimmung des Mitarbeiters ist dafür nicht erforderlich.
  2. Gehaltsabtretung (außergerichtlich):
    Oft verlangen Kreditgeber bei Vertragsabschluss eine Gehaltsabtretung als Sicherheit. Kommt es zum Zahlungsausfall, kann der Gläubiger mit dieser Abtretung direkt auf den Lohn zugreifen – sofern der Arbeitgeber zustimmt. Auch hier erfährt der Arbeitgeber jedoch erst dann davon, wenn die Abtretung tatsächlich geltend gemacht wird.
    Wichtig: Die Pfändung betrifft nur den pfändbaren Teil des Einkommens. Der sogenannte Pfändungsfreibetrag schützt einen Teil des Einkommens und sichert das Existenzminimum des Schuldners.

Wie läuft eine Lohnpfändung ab?

Schritt-für-Schritt-Ablauf:

  1. Forderung und Mahnung durch den Gläubiger
  2. Erwirkung eines Vollstreckungstitels (z. B. durch Mahnverfahren oder Klage)
  3. Antrag auf Pfändung beim Amtsgericht
  4. Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Arbeitgeber
  5. Berechnung und Abführung des pfändbaren Anteils durch die Personalabteilung
  6. Information des Mitarbeiters über die erfolgte Pfändung

Was darf gepfändet werden – und was nicht?
Der Gesetzgeber schützt Schuldner durch sogenannte Pfändungstabellen (§ 850c ZPO), die jährlich angepasst werden. Der pfändbare Betrag richtet sich nach dem Nettoeinkommen und der Anzahl der unterhaltspflichtigen Personen (z. B. Kinder).
Beispiel (Stand: Juli 2025):
Nettoeinkommen: 1.800 €
Unterhaltspflicht: 0 Personen
→ Pfändbarer Betrag: ca. 171,5 € monatlich (gerechnet mit unserem Pfändungsrechner)
Je mehr unterhaltspflichtige Personen, desto höher der unpfändbare Betrag. Einkommen unter ca. 1.599,99 € ist generell unpfändbar (Grundfreibetrag).

Wie erfährt ein Gläubiger den Arbeitgebernamen?

Ein Gläubiger hat keinen automatischen Zugriff auf Informationen über den Arbeitsplatz eines Schuldners. Um eine Pfändung einleiten zu können, muss er wissen, wo die betroffene Person arbeitet.

Dazu können folgende Wege genutzt werden:

  • Anfrage bei Auskunfteien (z. B. Schufa): Bei zahlungsgestörten Verträgen oder bestehenden Einträgen kann ggf. ein Hinweis auf den Arbeitgeber vorhanden sein.
  • Anfrage beim Einwohnermeldeamt oder bei der Rentenversicherung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens
  • Erkenntnisse aus sozialen Medien, Bewerbungsunterlagen oder früherer Korrespondenz

Ohne konkrete Hinweise auf den Arbeitgeber kann eine Pfändung oft nicht umgesetzt werden.

Muss ich mit Nachteilen im Job rechnen?

Rechtlich gesehen: nicht automatisch

Allein die Tatsache, dass ein Mitarbeiter verschuldet ist oder eine Pfändung vorliegt, ist kein Kündigungsgrund. Auch eine Gehaltsabtretung oder Insolvenzverfahren dürfen arbeitsrechtlich nicht zu Benachteiligungen führen – das wäre diskriminierend (§ 1 AGG).

Praktisch gesehen: Es kommt auf den Einzelfall an
In bestimmten Fällen kann es dennoch zu Problemen kommen:

  • Vertrauensverlust bei sensiblen Tätigkeiten
  • Störungen im Betriebsablauf, wenn häufige Rückfragen, neue Pfändungen oder Verwaltungsaufwand entstehen
  • Stigmatisierung im Kollegenkreis, insbesondere wenn die Pfändung offensichtlich wird (z. B. durch wiederholte Rückfragen der Personalabteilung)

Diskriminierung aufgrund einer Lohnpfändung ist nicht erlaubt – dennoch ist ein offener, proaktiver Umgang mit der Situation oft der beste Weg.

Fallbeispiel: Wenn Schulden im Job spürbar werden

Herr M., 42 Jahre alt, arbeitet seit 12 Jahren in der Buchhaltung eines mittelständischen Unternehmens. Nach einer Scheidung gerät er in eine finanzielle Schieflage: hohe Unterhaltszahlungen, Ratenkredite und Mietrückstände summieren sich. Schließlich leitet ein Gläubiger eine Lohnpfändung ein.

Die Personalabteilung wird informiert, muss ab sofort den pfändbaren Anteil seines Gehalts berechnen und überweisen. Herr M. ist peinlich berührt und spricht nicht darüber. Gleichzeitig leidet seine Konzentration – er macht vermehrt Fehler in der Buchführung. Der Abteilungsleiter wird aufmerksam.

Nach einem offenen Gespräch mit dem Arbeitgeber – begleitet von einer Schuldnerberatung – werden intern Entlastungen organisiert, damit Herr M. sich stabilisieren kann. Die Pfändung wird korrekt abgewickelt, ohne dass das Arbeitsverhältnis gefährdet ist.

Sein Fazit: „Ich hätte früher reden sollen. Die größte Hürde war die Scham – aber Offenheit hat mich gerettet.“

Was kann ich als Schuldner aktiv tun?

  • Frühzeitig aktiv werden
    Je früher man sich kümmert, desto besser. Schuldenprobleme lösen sich nicht von allein, aber sie lassen sich in vielen Fällen durch Verhandlungen, Umschuldungen oder Vergleichsvereinbarungen entschärfen.
  • Schuldnerberatung aufsuchen
    Kommunale oder karitative Schuldnerberatungsstellen bieten kostenlose, anonyme und kompetente Unterstützung. Sie helfen bei der Sortierung der Unterlagen, Kommunikation mit Gläubigern und erarbeiten Strategien zur Entschuldung – ggf. auch mit gerichtlichem Verfahren.
  • Pfändung begleiten, nicht ignorieren
    Arbeitgeber haben bei einer Lohnpfändung klare Pflichten – sie sind aber oft dankbar, wenn Betroffene offen kommunizieren. Tipp: Klären Sie direkt mit der Personalabteilung, was konkret benötigt wird. Vermeiden Sie Panik oder Schweigen.
  • Privatsphäre wahren
    Sie müssen Ihre Schulden nicht dem gesamten Kollegium mitteilen. Die Personalabteilung unterliegt dem Datenschutz. Überlegen Sie dennoch, ob Sie Vorgesetzte oder direkte Teammitglieder informieren möchten – je nach Arbeitsplatz kann dies zu mehr Verständnis führen.
  • Langfristig planen
    Wenn viele Gläubiger existieren, kann eine Privatinsolvenz sinnvoll sein. Sie dauert in der Regel 3 Jahre, danach sind alle restlichen Schulden erlassen. Beratung ist hier unerlässlich – aber der Weg lohnt sich für viele.

Fazit: Schulden sind kein Karriere-Aus

Schulden sind kein Kündigungsgrund – aber sie können arbeitsrechtlich relevant werden, wenn sie das Vertrauen gefährden oder den Arbeitsablauf stören.
Arbeitgeber erfahren nur in bestimmten Fällen von Schulden – etwa bei Lohnpfändungen oder Abtretungen.
Der richtige Umgang mit Schulden im Job ist entscheidend: Frühzeitige Hilfe, Transparenz und Selbstschutz sind zentrale Elemente.
Schuldnerberatung, rechtliche Informationen und ein klarer Plan helfen, finanzielle Probleme zu lösen und beruflich stabil zu bleiben.

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